Bei der Behandlung von Patienten mit Adipositas benötigen Ärzte genaue Messgrößen, um die körpergewichtsbedingten Gesundheitsrisiken zu bewerten. Zuverlässige Messwerte sind unerlässlich, um festzustellen, ob das Gewicht eines Patienten die zugrunde liegenden Stoffwechselerkrankungen genau widerspiegelt. Derzeit ist der Body-Mass-Index (BMI) das gängige Instrument für solche Bewertungen. Der BMI hilft Ärzten, den Grad der Adipositas zu kategorisieren und festzustellen, ob Personen übergewichtig oder adipös sind.
Das Konzept des BMI ist seit fast zwei Jahrhunderten etabliert . Dieses Bewusstsein ermöglicht einen sinnvollen Dialog mit Gesundheitsdienstleistern über Gewichtsmanagement, kardiovaskuläres Risiko und andere mit Fettleibigkeit verbundene Gesundheitsprobleme.
Obwohl der BMI weit verbreitet ist, müssen Gesundheitsdienstleister seine Stärken erkennen, seine Grenzen anerkennen und alternative oder ergänzende Messwerte in Betracht ziehen.
Wie wurde der BMI zum Standard?
Der BMI berechnet die Körpermasse einer Person, indem das Gewicht in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße in Metern geteilt wird. Das Ergebnis ist ein numerischer Wert. Die Weltgesundheitsorganisation kategorisiert den BMI wie folgt:
- Untergewicht: ≤18,5
- Normalgewicht: 18-24,9
- Übergewicht: 25,0-29,9
- Adipositas Klasse I: 30,0–34,9
- Adipositas Klasse II: 35,0–39,9
- Adipositas Klasse III: ≥40,0
Der BMI entstand in den 1830er Jahren aus der Arbeit des belgischen Mathematikers und Statistikers Adolphe Quetelet und wurde ursprünglich entwickelt, um den „durchschnittlichen“ Körperbau von Menschen darzustellen. Trotz seines statistischen Ursprungs fand das Maß allmählich Eingang in die medizinische Praxis.
Da es keine anderen standardisierten Messgrößen gab, verwendeten Kliniker BMI-ähnliche Gewichts-Größen-Diagramme, die für Männer und Frauen getrennt waren. Während eines Großteils des 20. Jahrhunderts dienten diese Diagramme als Orientierung für klinische Entscheidungen zur Gewichtskontrolle.
Die American Medical Association weist jedoch darauf hin, dass sich der BMI vor allem in den 1990er Jahren als klinischer Standard etablierte. Er gewann unter anderem deshalb an Akzeptanz, weil er als einfaches Kriterium zur Identifizierung von Kandidaten für neu entwickelte Adipositas-Behandlungen, darunter Medikamente und chirurgische Eingriffe, diente. Gesundheitsbehörden begannen, den BMI öffentlich zu befürworten, was zu einem stärkeren Bewusstsein der Menschen für die gesundheitlichen Auswirkungen ihres Körpergewichts führte.
BMI in der modernen Adipositasmedizin: Ist der BMI überholt?
Vorteile des BMI
Der BMI erfreut sich unter anderem deshalb weiterhin großer Beliebtheit, weil er deutliche praktische Vorteile bietet. Er ist ein äußerst leicht zugängliches Maß, das nur einfache Berechnungen ohne spezielle Hilfsmittel erfordert. Diese praktische Anwendbarkeit ermöglicht schnelle Beurteilungen bei Routineuntersuchungen und ermöglicht sofortige klinische Entscheidungen hinsichtlich weiterer diagnostischer Tests oder therapeutischer Maßnahmen.
Darüber hinaus ist der BMI aufgrund seiner Einfachheit allgemein verständlich und leicht zu berechnen, sodass Patienten ihr Gesundheitsrisiko selbstständig oder mithilfe leicht zugänglicher Online-Rechner einschätzen können.
Trotz dieser Vorteile ist der BMI-Wert alles andere als fehlerfrei.
Einschränkungen des BMI
Der Nutzen des BMI wird durch erhebliche Einschränkungen bei der genauen Darstellung von Fettleibigkeit und damit verbundenen Gesundheitszuständen beeinträchtigt. Ein entscheidender Nachteil des BMI besteht darin, dass er Unterschiede in der Körperzusammensetzung ignoriert. Muskelmasse, Knochendichte und Körperfettverteilung werden völlig außer Acht gelassen. Folglich könnten muskulöse Personen, wie beispielsweise Profisportler, fälschlicherweise als fettleibig eingestuft werden. Umgekehrt können Personen mit einem gesunden BMI erhebliche viszerale Fettpolster, insbesondere im Bauchbereich, verbergen, was erhebliche Gesundheitsrisiken birgt.
Darüber hinaus berücksichtigt der BMI wichtige Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen hinsichtlich Körperzusammensetzung und Fettverteilung nicht. Ursprünglich wurden BMI-Benchmarks hauptsächlich anhand von Daten europäischer Bevölkerungen entwickelt und spiegeln daher grundsätzlich die europäische Körperzusammensetzung wider. Folglich basierten die Mitte der 1990er Jahre von Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation und dem NIH festgelegten Standards auf der europäischen und kaukasisch-amerikanischen Bevölkerung.
Obwohl 2004 aktualisierte BMI-Richtlinien speziell für die asiatische Bevölkerung eingeführt wurden – basierend auf Daten aus ostasiatischen Ländern – blieb die globale Vielfalt der Körpertypen weitgehend unberücksichtigt. Südasiaten, Afrikaner, Menschen aus dem Nahen Osten und zahlreiche andere Ethnien waren nicht ausreichend vertreten, was die Genauigkeit des BMI für diese Bevölkerungsgruppen beeinträchtigte.
Ein weiterer konzeptioneller Fehler liegt in der Logik des BMI. Während erhöhte BMI-Werte oft mit Gesundheitsrisiken korrelieren, ist die Umkehrung – dass Personen im normalen BMI-Bereich grundsätzlich gesund sind – nicht unbedingt der Fall. Fehlinterpretationen oder Missbrauch des BMI könnten daher Menschen unbeabsichtigt schädigen, indem sie das kardiovaskuläre Risiko unterschätzen oder sie zu unnötigen oder schädlichen Abnehmstrategien drängen.
Einem Artikel des British Journal of General Practice zufolge führt ein übermäßiges Verlassen auf den BMI allein zu einer Vereinfachung komplexer Gesundheitsbeurteilungen und gefährdet möglicherweise die Gesundheit der Patienten.
Alternative Messgrößen für Fettleibigkeit
Angesichts dieser Einschränkungen ist es ratsam, neben dem BMI auch alternative oder ergänzende Maßnahmen zu berücksichtigen, um genauere Erkenntnisse über den Gesundheitszustand einer Person zu gewinnen.
Körperfettanteil
Die Bestimmung des Körperfettanteils ist eine sinnvolle Alternative. Die empfohlenen Bereiche variieren je nach Geschlecht und Alter. Zu den gängigen Messmethoden gehört die Verwendung von Hautfaltenmessgeräten. Diese Messgeräte erfassen das Unterhautfettgewebe und messen dessen Dicke, um den Gesamtkörperfettanteil zu ermitteln.
Die Genauigkeit von Hautfaltenmessungen variiert jedoch stark und hängt von der Erfahrung und Genauigkeit des Testers ab. Messungen, die von Laien – wie Fitnesstrainern oder Patienten selbst – durchgeführt werden, können unzuverlässig sein, was die Notwendigkeit einer professionellen Aufsicht bei der Interpretation dieser Werte unterstreicht.
Alternativ nutzen elektronische Körperfettwaagen für den Heimgebrauch die Bioimpedanzanalyse (BIA), um die Körperzusammensetzung zu bestimmen. Durch das Durchleiten eines schwachen elektrischen Stroms durch den Körper liefern diese Waagen allgemeine Schätzungen des Fett-, Muskel-, Knochen- und Flüssigkeitshaushalts. Obwohl sie praktisch sind, um persönliche Veränderungen im Laufe der Zeit zu verfolgen, sind ihre Ergebnisse nur ungefähr und keine definitiven Gesundheitsindikatoren.
Taillenumfang oder Taille-Hüft-Verhältnis
Taillenumfang und Taille-Hüft-Verhältnis bieten einen weiteren aussagekräftigen und wenig genutzten Bewertungsmaßstab. Zentrale Adipositas, gekennzeichnet durch eine Zunahme des Bauchfetts im Verhältnis zum Hüftumfang, korreliert stark mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Diese Messwerte ergänzen daher den BMI, indem sie Adipositas-bedingte Gesundheitsrisiken aufzeigen, die bei der alleinigen Bewertung des Körpergewichts übersehen werden.
Wie in einer Veröffentlichung von Nature Reviews Endocrinology dargelegt, sollte der Taillenumfang in der klinischen Praxis erhöht werden, da er als Vitalparameter dient. Die Reduzierung des Taillenumfangs wird als wichtiges therapeutisches Ziel hervorgehoben, um Risikofaktoren bei Männern und Frauen zu verringern.
Kliniker müssen sich darüber im Klaren sein, dass keine einzelne Messmethode allein ausreicht. Ein umfassender, patientenspezifischer Ansatz mit mehreren Messgrößen gewährleistet präzisere Beurteilungen, personalisierte Gesundheitsstrategien und eine insgesamt verbesserte Patientenversorgung.